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Auf Fischfang vor der Costa Blanca

An Bord eines Kutters auf der Jagd nach Fisch

Es ist ein Pionierprojekt – der Fischerei-Tourismus in Torrevieja. Erstmals können Gäste an Bord eines Fischkutters hautnah erleben, wie Sardinen, Sardellen oder Bonitos vor der Küste der Costa Blanca mit Ringwaden gefangen werden. Eine Nacht an Bord des Kutters „Nuevo Pedro y Loli“

Michael Allhoff (Text & Photos)

Mit einem Knopfdruck lässt Kapitän Diego den Diesel an. 500 PS rumpeln und brabbeln  los. Der ganze Fischkutter vibriert. „Leinen los“, ruft der patrón von der Kommandobrücke. Kurz nach Sonnenuntergang tuckern wir vom Hafen von Cartagena aufs Meer hinaus – Diego am Steuer, Ivan als zweiter Bootsführer, sechs Fischer als Crew. Dazu Beatriz und Adrián Canales von der Nautikfirma Ociomar. Ich bin als Reporter dabei, um erstmals zu erleben, was es mit dem neuen Angebot des „Pescaturisme“, des Fischerei-Tourismus, auf sich hat…

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Um es vorweg zu nehmen: Eine Nacht auf dem Meer, auf Fischfang, das ist ein unvergessliches, ein einzigartiges Erlebnis. Über dir funkelt der Sternenhimmel. Ölig schwarzblau klatschen die Meereswogen an die Bordwand. Der  Wind riecht nach Salz und Seetang. Jedes Mal, wenn auf dem Sonar ein Fischschwarm sichtbar wird, steigt die Spannung an Bord. Das Beiboot mit seinen 2.000 Watt starken Flutlichtern wird abgehängt. Das 1.000 Meter lange Ringwadennetz rauscht kreisförmig von Deck. Die Fischer holen das Netz ein und sortieren den Fang. Nach acht Stunden auf See schmeckt der heiße schwarze Kaffe kurz vor Sonnenaufgang doppelt so gut…

Wir sind nicht allein auf See. Über ein Dutzend Fischkutter im Umkreis von 30 Meilen – das ist auf dem grünlichen Bildschirm des Radar gut zu erkennen – eint dasselbe Ziel: heut nacht den großen Fang zu machen!

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„Hay movida hoy“, sagt Diego. Es ist was los… Der große Fang, das ist der Fischschwarm, groß genug, damit sich das Auslassen der Ringwaden lohnt. Das Netz, das in der Tiefe von 50 bis 100 Metern den Schwarm einkreist, bevor es an Bord gehievt wird.

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Die Brücke des Kutters gleicht einer Kommandozentrale aus Raumschiff Enterprise. Überall Hightech: Funkgeräte, Sonare mit XXL-Monitoren, jeder bis zu 70.000 Euro wert, Radar, Computer – viel Elektronik im Dienst des Fischfangs. Mit dem Sonar hören Diego und Ivan den Meeresgrund ab. Fischschwärme werden gelb bis orange oder rot dargestellt. „So dichter der Schwarm, so rötlicher das Abbild auf dem Monitor“, erklärt Diego.

Dass Touristen an Bord kommen dürfen, dazu war eine Menge Vorarbeit erforderlich. Pilotprojekte im Fischereitourismus starteten auf den Balearen. Valencia hat Anfang des Jahres seine maritime Gesetzgebung angepasst, damit Fischerboote auch zahlende Gäste an Bord nehmen dürfen. Es ist nicht zuletzt auch eine Versicherungsfrage. Die Fischerei als industrielle Produktion war bislang nicht für den Fremdenverkehr zugänglich, auch der Eintritt zur Fischauktionshalle, der Lonja, nur Händlern erlaubt. „Und an Bord eines Fischkutters kam nur, wer eine Lizenz als Berufsfischer hatte“, erklärt Adrian Canales von Ociomar.

Der Vorsitzende der Fischereigenossenschaft von Torrevieja, Pedro Carmona, weiß ein Lied davon zu singen, wie aufwändig der Papierkram war. „Wir mussten unsere Kutter umrüsten“, sagt er. Neue Toiletten, Neopren-Anzüge, aufblasbare Schwimmwesten – der neuartige Fischereitourismus bedeutete für die Fischer erst einmal eine Investition. Bis dato ist „pescaturisme“ an der Costa Blanca nur in Torrevieja möglich.

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Es ist kurz nach drei Uhr morgens. Wir wechseln wieder die Position. Diego steuert die „Nuevo Pedro y Loli“ gen Norden. Mit zehn Knoten rauscht der Kutter durch die See. Auf Backbord leuchten die Lichter von Land. Über uns steht sichelförmig der Neumond. Mars scheint rötlich querab. Mohammed serviert uns einen süßen Pfefferminztee aus der Kombüse.

Das Beiboot, auch „chinchórro“ genannt, dümpelt auf dem Wasser. Das Licht der Scheinwerfer zieht Kleinstlebewesen zur Oberfläche an, Zooplankton, die Nahrung der Fische. Der Fischschwarm folgt seinem Futter und dem Licht. Ab und zu nähert Diego den Kutter ans Beiboot, checkt mit dem Sonar, wie hoch der Schwarm bereits aus der Tiefe des Meeres aufgestiegen ist.

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„Vamos!“ ruft er und gibt Gas. Der Kutter dreht einen schnellen kreisförmigen Kurs um den Chinchorro. Die Fischer lassen das Netz aus. Zuletzt, als sich der Kreis schließt, wird das Netz mit der Schnürleine von unten zugezogen. Der Schwarm ist im Sack. Im “Hauruck” ziehen die Fischer das Netz an Bord, unterstütz von dem Kran.Und keschen den Fang ab, in die bereit gestellte Kisten…

Die Enttäuschung steht den Fischern ins Gesicht geschrieben! Wenige Dutzend Kilo Sardinen und Sardellen sind der Fang dieser Nacht. Ja, eine Portion Glück gehört zur Fischerei. In der Nacht zuvor hatten Diego, Ivan und ihre Mannschaft noch über 900 Kilo Bonito gefischt. Ihr größter Fang? „Vier Tonnen Bonito“, freut sich Diego. Fisch im Wert von über 40.000 Euro. In einer Nacht auf dem Meer.

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Sonnenaufgang auf See

Das Nachtwerk ist vollbracht. Kapitän Diego dreht am Steuerrad der “Nuevo Pedro y Loli”, setzt Kurs auf Cartagena. Auf Steuerbord gleitet die felsige Bergkulisse der spanischen Levante-Küste vorbei.

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Möwen ziehn klar gezirkelte Kreise im Blau des Himmels. Die Schiffskräne des Containerverladehafens tauchen hinter dem Leuchtturm der Hafenstadt auf. Wie stählerne Dinosaurier aus dem Mesozoikum, grazile Roboter der Moderne…

Neun Uhr morgens im Fischerhafen von Torrevieja. Es riecht nach Seetang und Fisch. Träge klatschen die Wellen gegen die Kaimauer. Fischkutter dümpeln vertäut an der Mole. Auf dem Achterdeck eines Kutters flickt ein Fischer seine Netze.

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„Pescaturismo ist für uns alle gut“, freut sich Adrían Canales. Das Projekt sei ihm von der Stadt und den Fischern vorgeschlagen worden. Ociomar konzentrierte sich bislang auf das Chartern von Motorbooten für Tagesausflüge. Jetzt ist er auch Fremdenführer im Hafen. Die Gewinne aus dem „pescaturisme“ teilt er sich mit den Fischern, die so ein Zubrot verdienen. „Eine klassische win-win-Situation“, konstatiert der 35-jährige Regattasegler.

Auf unserem Spaziergang zur Lonja, zur Fischauktionshalle, winken uns die Fischer zu. „Ahí vienen nuestros chánes“, sagt einer. Da kommen unsere ausländischen Freunde… In der Lonja herrscht reges Treiben. Ein Dutzend Händler verfolgt die Auktion auf dem digitalen Screenboard. Die Preise wechseln im Sekundentakt. „

Dargestellt werden die Fischart, die versteigert wird, die Zahl der verfügbaren Kisten für den potenziellen Käufer, der Preis je Kiste“, sagt Adrián. Gerade stehen 18 Kisten „Estornino“ zum Verkauf an den Meistbietenden. Die Kiste Thunmakrele (Scomber colias) steht nun auf 8,86 Euro. „Der Verkauf geht nicht nach Kilo“, erklärt Adrián. Die Fischer wiegen sieben von zehn Kisten, der Mittelwert gilt.

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In Torrevieja sind von der Flotte der einst 34 Fischkutter nur noch vier aktiv. Von den einst 250 Fischern sind nur noch ein Dutzend übrig. Fischer Antonio Juárez weiß ein Lied vom Niedergang des Fischfangs zu singen. Das Problem seien die sinkenden Preise. „Das Kilo Rotbarbe wird in der Lonja mit neun Euro bezahlt“, sagt Juárez. Nicht mehr und nicht weniger als vor 20 Jahren. Härter trifft es ihn mit Langusten, die einen Preisverfall von 60 Prozent erlitten hätten. Vor 20 Jahren erzielte er je Kilo 10.000 Peseten, umgerechnet 60 Euro, für die Schalentiere, heute 25 Euro.

Auch Tomás Pérez Chacopino, Patrón der „Larry“, kennt das Schicksal leerer Netze nach durchwachter Nacht auf See. „Wer verdient, das sind die Zwischenhändler“, sagt der Fischer. Der Kunde müsse im Supermarkt das Drei- bis Vierfache für den Fisch zahlen. Für Fischer Tomás Chacopino kommt die Konkurrenz über Land – in Kühllastern aus Madrid. „Es sind vor allem die Importe der internationalen Tiefkühl-Trawler, die vor Nordafrika fischen, die uns die Preise kaputt machen“, klagt er.

Sicher, meint er, es gebe auch noch die guten Tage, an denen er mehr aus dem Meer hole. Kürzlich zum Beispiel: Da seien es 27 Langusten, 40 Kilo Rotbarben und drei Kilo Makrelen gewesen. Es sind die Wochen, in denen Tomás Chacopino sich über einen Reinerlös von 750 Euro freut.

In der Lonja von Torrevieja werden Jahr für Jahr rund vier Millionen Euro über den Fischverkauf umgesetzt, vornehmlich Sardinen und Sardellen. Es ist die wirtschaftlich wichtigste Fischauktion des Landes Valencia, nur Castellón erzielt mehr Einahmen. Ständig machen Fischkutter aus Almería, Mojacar oder Águilas im Hafen fest, weil die Küste vor Torrevieja gute Fanggebiete garantiert.

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Es sind nicht allein gestiegenen Kosten und sinkende Preise, die den Fischern an der Costa Blanca das Geschäft versalzen. „Wir müssen drei Mal so lange Netze wie früher auslegen“, konstatiert Tomás Chacopino, „um auf denselben Fang zu kommen!“ Lange Zeit galten die Meere mit ihrem Reichtum an Fischarten als unerschöpflich. Heute offenbart die dramatische Situation der Weltfischerei, dass Fisch eine begrenzte Ressource ist: Drei Viertel aller Fischbestände auf hoher See sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen und des WWF überfischt. Der neuartige Fischereitourismus bietet den Fischern ein Zubrot – und wird sich positiv auf einen nachhaltigen Bestand lokaler Fischarten auswirken. “Die Fischer müssen nicht mehr alles Geld im Fischfang verdienen”, so Adrián Canales. Und sie können Touristen stolz ihr traditionelles Handwerk präsentieren.

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Andrés heißt der Mann, der im Hafen von Torrevieja die Netze flickt. In seiner Lagerhalle stapeln sich kilometerlang die grünen, blauen oder braunen Netze, die in der „pesca de cerco“, der Ringwadenfischerei, Verwendung finden. „Ein Netz ist meist um die 800 bis 1.000 Meter lang und 40 Meter breit“, erklärt Andrés.

Dann geht´s aufs Meer. Im Real Club Náutico de Torrevieja (RCNT) klettern wir an Bord der „Martinuchi“, eine Remus 620 mit 115 PS Außenborder. Wir tuckern durch den Hafen mit seinen drei Sporthäfen, neben dem RCNT auch Marina Salinas und Marina International, passieren den Leuchtturm, dann drückt Adrián den Gashebel runter und wir cruisen mit 20 Knoten über Wasser. Die Heckwelle quirlt gischtbrodelnd auf.

Unser Ziel: Das Fischerboot “Virgen de la Caridad”, das wenige Meilen vor der Playa del Acequión in den Wellen dümpelt. Amado Cases zieht sein Netz ein, das er tags zuvor gespannt hat. Ab und an hat sich eine Makrele in den Maschen verfangen. Die Brüder Cases sind die letzte Familie, die sich in Torrevieja mit vier Booten den so genannten „Artes Menores“ widmen – der Fischerei „a palangre“ (mit der Longline) oder „a trasmayo“ (Netze mit unterschiedlicher Maschenweite, in denen sich die Fische verfangen).

Amado lässt sich durch den Besuch auf dem Wasser nicht aus der Ruhe bringen. Geduldig klaubt er Fisch nach Fisch aus dem Netz. An anderen Tagen holt Amado „pulpos“ aus dem Meer.

Information:

Buchen lassen sich geführte Touren zur Lonja (90 min / 15€ pp.), halbtägige Ausflüge inklusive Motorbootfahrt ( 3 Std., 55€ pp.) oder Tagesausflüge mit den Fischern (10 Stunden, 80 bis 120 € pp.) Ociomar hat auch den Verleih von Motorbooten ohne Führerschein im Angebot und macht Jachtcharter für Hochsee-Angler.

Ociomar

Tel. 672 413 370

E-Mail: info@ociomartorrevieja.com

Internet: www.ociomartorrevieja.com und www.torreviejapescatradicional.com

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