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Fest der Reconquista in Orihuela

Das Erbe von al-Andalus

MICHAEL ALLHOFF

Schulter an Schulter und im Gleichschritt marschieren wir los. In einer Reihe ein Dutzend Mann, ausstaffiert als Ritter der Reconquista. Ich trage einen silbernen Helm,  ledernen Brustwams, Armspangen aus  Eisen, dazu den schweren Umhang aus schwarzem Stoff, der bis zum Boden fällt. Und kniehohe Lederstiefel. Die Rittertracht  der Festvereinigung „Seguidores de Arún y Ruidoms“ ist winterlich warm – bei sommerlichen 30 Grad Celsius am späten Abend in der Altstadt von Orihuela.

 

Start entrada cristiana KopieDie Bischofsstadt im Schatten ihres Klosters und der Burg feiert jedes Jahr im Sommer um den 17. Juli ihr großes Fest der Reconquista und der „Moros y Cristianos“. Es ist eines der prachtvollsten Feste der Costa Blanca.

Beim inszenierten Einmarsch der Christen defilieren Tausende von Teilnehmern in prachtvollen Kostümen bei der kilometerlangen Parade mit. Vom Platz Ocarasa über die Avenida de España bis zur Plaza de Alfonso XIII. sind die Straßen links und rechts gesäumt von Schaulustigen. Zum Fest der Reconquista, in Orihuela gefeiert seit dem Jahr 1400, ist nahezu die ganze Stadt auf den Beinen.

Orihuela Fiesta de Reconquista 2Im Marschschritt, im Takt der Pauken, Trommeln, Tubas und Trompeten der Musikkapelle, bewegt sich unser Trupp entlang des Ufers vom Rio Segura. „Vamos“, ruft Pepe Vegara zur Rechten, los geht´s. Der Vorsitzende der Festvereinigungen Santa Justa y Rufina von Orihuela war tags zuvor noch ausstaffiert als Maure beim Festumzug dabei, in der Comparsa der Moros Realistas. Heute trägt er die christliche Standarte mit silber besticktem Kreuz und Schwert.

Pepe Vegara

„Das Fest der Reconquista und der Mauren und Christen ist kulturelles Erbe und Ausdruck unser Identität“, erklärt der Schriftsteller beim Bier in der Bar. Seit 40 Jahren nimmt der Spanier an den Paraden teil. Dieses Jahr wurden die „Fiestas de la Reconquista y de Moros y Cristianos de Orihuela“ zum Fest von nationalem touristischen Interesse erklärt.

IMG_8198IMG_8228IMG_8333Tradition und Legende, meint Pepe Vegara, würden sich in diesen pompösen Umzügen verbinden, die über eine Woche lang andauern. „Von klein auf beteilige ich mich an den Fiestas“, sagt er. Die Feier der Mauren und Christen, das sei auch „unser großes Familienfest“, das die ganze Gemeinde einträchtig vereine.


“In den Fiestas der Reconquista lebt die ganze Stadt auf”, erklärt Sofía Álvarez. Die Stadträtin für Tourismus von Orihuela defiliert als Maurin verkleidet mit. Ihr Credo: Das Fest vereint die Gesellschaft, die Familien, die in den verschiedenen Festvereinen teilnehmen, über Generationen.

“Die Feier der Reconquista ist unser großes Familienfest”

Gefeiert werde jedes Jahr die Rückeroberung der Stadt von den Mauren. 1243 n. Chr., vor 775 Jahren, sei Orihuela vom islamischen Reich von Murcia abgefallen, 1265 habe Jakob I. von Aragón die Stadt von den Mauren endgültig zurückerobert. Fast ein Jahrtausend lang war der Islam die politisch, religiös, sozial und kulturell bestimmende Macht auf der Iberischen Halbinsel. “Al-Andalus” nannten die Araber ihr Reich.DSC_0208

Die modernen “Mauren” und “Christen” des 21. Jahrhunderts werfen sich vor der Parade in Schale. Die Verwandlung dauert stundenlang. Vor Ort beim Schminken der Negros Egipcios, der schwarzen Ägypter. So heißt die Festvereinigung mit ihren über 250 Mitgliedern, die vergangenes Jahr den Preis für die beste Kostümierung gewonnen hat. Vier Stylistinnen setzen die Darsteller der Mauren in Szene – mit viel schwarzer Wimperntusche, Airbrush und buntem Make-Up. Der eine ist im bürgerlichen Leben Polizist, ein anderer Anwalt, der nächste Lehrer. Doch heute sind sie vor allem eins – “Negros Egipcios”!

 

An der spanischen Levante-Küste lebt eine ganze Trachtenindustrie von den Feiern der “Moros y Cristianos”. Ob in Orihuela, Alcoy, Villena, Altea, Almoradí, Rojales oder Villajoyosa – in Dutzende von Gemeinden an der Costa Blanca wird jedes Jahr die Rückeroberung gefeiert. Es sind Abertausende von Darstellern, die ihre Kostüme ordern, phantasievoll angefertigt nach eigenen Ideen meist in Concentaina und Villena, dort, wo die Näher und Ausstatter sitzen.

Über 100 Euro kostet ein Kostüm am Tag. Manche festeros kaufen sich ihr Kostüm  maßgeschneidert, für 400 bis 4.000 Euro, Krummdolch oder Muskete inklusive. Ob geliehen oder gekauft, das Ergebnis bleibt spektakulär. Die Paraden in Orihuela erinnern in ihrer Pracht und in ihrem Pomp an den Kölner Karneval. An die Inszenierung der Passionsspiele von Oberammergau. Oder den Karneval von Río de Janeiro.

Die Fiesta de la Reconquista y de Moros y Cristianos de Orihuela  Mitte Juli eines jeden Jahres folgt in Orihuela einer strikten Zeremonie. 1. Tag: Eroberung der Burg mit Musketen, Schwarzpulver und lauter Knallerei. 2. Tag: Kostümparade. 3. Tag: Defilee der Mauren, spanisch: “Entrada Mora”. 4. Tag. Einmarsch der Christen (span.: Entrada Cristiana). 5. Tag: Kinderumzug. Und am 17. Juli wird die Standarte des “Oriol” auf dem Balkon des Rathauses präsentiert, das Siegesbanner der christlichen Truppen.

DSC_0431DSC_0442DSC_0728DSC_0740Die ganze Stadt ist abends auf den Beinen. Wer nicht mitmacht, schaut zu. Am Straßenrand reservieren sich Familien ihre Tische – für Tapas, Bier und Wein. In erster Reihe genießen Einheimische wie Touristen die stundenlange Parade.

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Bislang galt das Fest der Reconquista in Orihuela als  traditionell spanische Feier. Doch die Zeiten ändern sich. Erstmals öffnen sich die Festvereinigungen für die Teilnahme von Ausländern. “Wir laden dieses Jahr erstmals internationale Residenten ein”, sagt Sofía Álvarez. Auch Deutsche, Briten, Skandinavier oder andere Nationalitäten könnten ihre eigenen Festvereinigungen gründen und seien wilkommen bei den Umzügen.

Voraussetzung sei, dass mindestens eine Reihe, eine so genannte “Fila” zusammenkomme. Das seien rund ein Dutzend Personen. Jede Comparsa, sei es der Mauren oder der Christen, zählt mehrere “Filas”. Das ganze Jahr über wird das Fest vorbereitet, die Maskerade geplant, die Trachten designt, die Choreografie eingeübt. Und die Musik einstudiert: Jede Comparsa verfügt über ihre eigene Musikkapelle, bestehend aus rund 40 Musikern.

 

In der Mitte unser Fila schreitet Bürgermeister Emilio Bascuñana als Ritter neben Manolo Ortuño, dem Vizepräsident der Festvereine. Zu meiner Rechten hat José Probleme mit seiner Hose, die über die Hüften rutscht. Untergehakt und mit der Standarte in der Rechten hat er keine Hand mehr frei, sich den Gürtel fest zu schnallen. Ich bemühe mich, dass die Fahnenstange sich nicht im Geäst der Zierorangen am Straßenrand verhakt. Und achte auf den Gleichschritt.

Orihuela Entrada CristianaVor uns, in erster Linie des Festumzugs, grüßt Conchi Cabrera die Zuschauer, mit würdevollem Kopfnicken und ausgestreckten Armen. In ihrem gold- und silberbestickten Gewand verkörpert sie die Figur der „Armengola“, jener Heldin, die den christlichen Rittern das Tor zur maurischen Festung geöffnet haben soll. Der Legende zufolge schlug sich das Kindermädchen des maurischen Herrschers Benzaddón auf die Seite der Christen, als sie erfuhr, dass dieser alle Mozaraber köpfen lassen wollte, um sich seine Herrschaft zu sichern…

“Sabe N´Armengola que al rei de Granada tots els sarrains donar-se volien, matant els de dins. Ella s´abalanza amb fúria espanyola, matant els traidors, i lluirá Oriola! (Jaume Febrer)

Mit Arún und Ruidoms, zwei christlichen Rittern, verkleidet als ihre Töchter, schmuggelte sich die Armengola in die Burg von Orihuela, öffnete die Tore und sicherte so den Christen den Sieg. Jedes Jahr wird die Armengola neu gewählt: Im Traditionsbewusstsein der Stadt Orihuela verkörpert die Gestalt der Armengola den Stolz, die Eleganz und den Mut der orihuelanischen Frau.IMG_8315

Nach einer Stunde Marsch in der Hitze und der schweren Montur bin ich verschwitzt und ermüdet. Der Helm drückt auf dem Kopf. Der bodenlange Umhang zieht an den Schultern. Schweisstropfen rinnen mir von der Stirn in die Augen. “Hey, hey, hey”, rufen wir im Takt unseres Marschschritts. Das Publikum am Straßenrand freut sich über die pompöse Parade. Vor der Ehrentribüne bei der Brücke über den Fluss Segura schwillt der Applaus an.

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Kurz vor der Kathedrale löst sich die Parade auf. Der Kostümverleiher aus Concentaina nimmt uns prompt Helm, Gürtel und Standarte ab. Nach dem Umzug, frisch geduscht und wieder zivil gekleidet in Jeans und Hemd, feiern wir in den Cábilas weiter, den rund einem Dutzend Festzelten, die verteilt in der Altstadt aufgebaut sind. Ob bei den Negros Egipcios oder den Moros Almorávides, den Caballeros del Oriol oder den Caballeros Templarios, in allen Cábilas spielen Live-Bands auf und DJ´s. Bis weit nach Mitternacht. Für viele ist die Party der Reconquista Nacht für Nacht erst vorbei, wenn die Sonne aufgeht.

 

Das Highlight für Familien ist der Kinderumzug. Am Vorabend des 17. Juli paradieren die Kleinsten durch die Stadt, so prächtig ausstaffiert wie zuvor ihre Eltern. Ob mit dem Schnuller im Buggy, auf dem Arm oder als Teenager in eigener Comparsa – um den Nachwuchs braucht sich das Fest der Mauren und Christen von Orihuela nicht zu sorgen. “Die Feier der Reconquista”, sagt Pepe Vegara, “das ist etwas, das haben wir im Blut!” Das Fest lebe auf durch seinen sozialen, religiösen und kulturellen Charakter: “Du integrierst dich von klein auf in die Festtradition an der Hand deiner Eltern.” Viele Orihuelanos defilieren bereits in dritter Generation mit.

Der “Desfile de Niños” markiert den familiären Höhepunkt der einwöchigen Feier der Reconquista. Gegen Mitternacht finden sich Tausende von Orihuelanos vor dem Rathaus ein, dem Palacio de Arneva. Schlag zwölf Uhr am 17. Juli öffnen sich die Flügeltüren auf dem Balkon im ersten Stock.

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Bürgermeister Emilio Bascuñana präsentiert Seite an Seite mit den Embajadores, den Abgesandten der Mauren und Christen, die Gloriosa Enseña del Oriol, eine jahrhundertealte, gold- und silberdurchwirkte Feldstandarte, eine der ältesten Kriegsfahnen Spaniens, gekrönt von einer vergoldeten Adlerskulptur. “El pájaro” – der Vogel – nennen die Orihuelanos salopp ihre Insignie.

Seit dem Jahr 1400, seit über 600 Jahren, ist dieser Festakt am “Día del Pájaro” in Orihuela institutionalisiert: als Ausdruck der Identität der Stadt gegenüber dem Islam. Und als identitätsstiftendes Ritual einer Stadt, die das Erbe von al-Andalus angetreten hat. Dann erklingt die Nationalhymne des Landes Valencia. Die Menschenmasse jubelt. “Viva España!”

 


INFORMATION:Fiesta de la Reconquista y de Moros y Cristianos de Orihuela, jedes Jahr Mitte Juli. Organisiert von der “Asociación de Fiestas de Moros y Cristianos Santas Justa y Rufina, C/ Francisco Die 32-34  03300 Orihuela-Alicante. Mit Unterstützung des Rathauses von Orihuela, der Provinzregierung von Alicante und dem Land Valencia. Internet:  www.morosycristianosorihuela.es.


 

Sofia Alvarez Orihuela

Gelebte Geschichte

Tourismus-Stadträtin Sofía Álvarez im Interview: Orihuela feiert „Reconquista“ mit zukünftiger Beteiligung internationaler Residenten

Das Fest der Mauren und Christen von Orihuela ist dieses Jahr von der spanischen Regierung anerkannt worden. Die traditionelle Feier der Reconquista (deutsch: Rückeroberung) erhielt das Prädikat „Von nationalem touristischen Interesse“. Tourismus-Stadträtin Sofía Álvarez gibt im Interview einen Ausblick auf Gegenwart und Zukunft dieser einzigartigen Feier.

Herzlichen Glückwunsch zu der Auszeichnung. Was bedeutet dieser neue Standard für das Fest der Mauren und Christen von Orihuela?

Sofía Álvarez: Keine andere Gemeinde der Provinz Alicante ist so ausgezeichnet, außer Alcoy. Wir erhalten jetzt mehr Mittel aus Madrid.

Es ist ein sehr traditionelles Fest…

Ja, Tausende von Bürgern aus Orihuela nehmen in über einem Dutzend Festvereinigungen an diesen prachtvollen Umzügen teil, sei es gekleidet und ausstaffiert als Mauren oder als Christen. In diesem Fest lebt die ganze Stadt auf. Das Fest vereint die Gesellschaft, die vielen Familien, die teilnehmen, in der einen oder andere Vereinigung, über Generationen. Das ist kein Drei-Königs-Umzug! Die Feier der Reconquista ist ein Ausdruck gelebter Geschichte der Stadt Orihuela.

Eine Art Karneval?

(lacht) Nein, es kommt entscheidend auf den historischen Hintergrund an. Das Fest wird seit dem Jahr 1400 jeweils um den 17. Juli gefeiert, als Ausdruck der eigenen Identität nach Eroberung der Stadt Orihuela im Jahr 1265 durch Jakob I., König von Aragón und Valencia.

Bislang wurde die Reconquista in Orihuela vornehmlich sehr spanisch gefeiert…

Das mag sich in Zukunft ändern. Wir laden dieses Jahr erstmals auch internationale Residenten der Costa Blanca zur Teilnahme ein. In Zukunft können Residenten ihre eigenen Festvereinigungen gründen und sind willkommen, an den Umzügen teilzunehmen.

 

 

 

 

 

 

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