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Hand gegen Koje nach Kapstadt

Hand gegen Koje nach Kapstadt

An Bord der Dreimastbark Our Svanen 3.500 Seemeilen durch den südlichen Atlantik  –  Von Rio de Janeiro nach Kapstadt – Disziplin auf hoher See  –  Windstärke 12 auf einem Windjammer –  Mann über Bord  –  “Kapstadt Ahoi!”

“To follow the dream, and again to follow the dream – eternally – usque ad finem…”

(Joseph Conrad: Lord Jim)

“Die Aufgabe ist das Leben,

aber das Abenteuer ist die Poesie.”

(Ernst Jünger)

Windstärke elf auf dem südlichen Atlantik, Mitternachtswache an Bord des Großseglers Our Svanen: Rings um die Reling des Windjammers türmen sich die Schaumkronen tosender Wellenbrecher zu schwindelnden Höhen auf. Weißgurgelnd brodelt neben uns die Stunden zuvor noch so friedliche See. Dunkle Wassermassen schlagen über die Bordwand und donnern in Lee über die Speigatts ab. Der Orkan heult in der Takelage, pfeift durch die Wanten und Stage und treibt Gischtschwaden horizontal über das Deck. Unsere good old lady bockt wie eine wildgewordene Kuh.

Es ist pechschwarze Nacht. Nur das Kompaßlicht am Ruder wirft einen schwachen rötlichen Schein über das Achterdeck. Hoch oben über meinem Kopf knattert das Brahmsegel wild im Sturmwind. Zwei Wochen Schönwettersegeln von Rio de Janeiro mit Kurs auf Kapstadt  haben hier, 45 Grad Breite unterhalb des Äquators, ein jähes Ende gefunden. Über den Mastspitzen jagen schwarze Wolkenfetzen dahin. 

“Take that bastard down!” brüllt Bruce, Australier und erster Maat der Our Svanen, “hurry up!” Das killende Leintuch hoch droben am Großmast muß eingeholt werden! “Fuckin´ shit”, flucht Bruce am Steuer, “what the hell you´re waitin´ for?” Widerwillig steigen John und ich ins Rigg. Schwindelerregende fünfzehn Meter über den Decksplanken und der sturmgepeitschten See, mit vom Wind tränenden Augen, ertasten meine klammen Finger einen Haltegriff nach dem anderen. Unsere Hände, schwielen-bedeckt und aufgerissen, haben längst jedes Gefühl für das rauhe Hanftauwerk der Segelleinen verloren. 

Im “Hauruck” zerren wir das nasse Segeltuch auf die Rahe, rollen das grobe Leinen zusammen und zurren es fest. “Goddam´!” schallt es von unten hoch, “Hurry up!” Wir arbeiten verbissen. Schweiß und Gischt brennen in meinen Augen. Der kalte Südwind peitscht Regenwasser in den Kragen des durchweichten Ölzeugs, dicke Tropfen prasseln auf die Kapuze. 

Einen Augenblick der Unachtsamkeit, ein Griff daneben… und die wildschwingende Rah schleudert einen unweigerlich in die kochende See. So what, geht mir durch den Kopf, erst an der Grenze unseres Daseins und in der Lust an der Gefahr intensiviert sich jeder Augenblick des Lebens!

Aber wer einmal die Gewalt hereinwaschender Brecher im Sturm erlebt hat, weiß das Meer zu fürchten! An der grauenvollen Härte dieser entmenschlichten Natur zerschellt jegliche Illusion einer idyllischen Segelromantik wie ein Schiff, das in der Brandung auf ein Riff läuft. Allein: Was wäre Segeln ohne die Herausforderung der Elemente?

Erst im Morgengrauen flaut der Wind ab, die Wellen legen sich. Zwischen mächtigen Wolkenbänken schimmert ein wenig Himmelsblau durch. Dann zaubert die aufgehende Sonne tausende von glitzernden Reflexen auf eine eisgraue, wie in Blei gegossene See. Der wabernde Feuerball strahlt die noch bedrohlich blauschwarze Regenwand an. Neben unserem Segler ziehen Möwen klargezirkelte schnelle Kreise, streifen mit ihren Flügelspitzen über das silbrigfunkelnde Wasser. 

Erschöpft nach der harten Nachtwache lehne ich an der Reling. Segeln wie Kolumbus, wie Magellan, wie Drake, diesen modernen Brüdern des legendären Odysseus: Trotz Satellitennavigation, Kühltruhe und Hilfsmotor haben Windjammer nichts von ihrer ursprünglichen Verheißung eingebüßt. 

“Alles klar zum Reinschiff!” Jäh werde ich aus meinen Tagträumen gerissen. Während wir die Planken schrubben, klappert Jim, der Schiffskoch, in der Kombüse mit Töpfen und Pfannen. Bald darauf durftet es nach Pfannkuchen und heißer Schokolade. “Breakfast ready!” ruft Jim. Gosh, wie habe ich diese erlösenden Worte nach kalten Nachtwachen an Deck zu schätzen gelernt!

Rückblende. Die Stunde Null unserer Ozeanüberquerung. Ort: Der Jachthafen von Rio de Janeiro. An Bord der Our Svanen herrscht fiebrige Hektik. Die Stimme Jays, des Kapitäns, überschlägt sich. “An die Brassen! Fiert auf die Großschot! Macht klar das Großsegel!” Abgehackt hallt die Kommandostimme in kanadischem Slang über das Vordeck. Der neunköpfigen Crew läuft in der tropischen Hitze Brasiliens der Schweiß über den nackten Oberkörper. Wir klettern ins Rigg, lösen Segelleine nach Segelleine – und 900 Quadratmeter weißes Segeltuch blähen sich im kobaltblauen Himmel Brasiliens.

Mit frischer Brise nimmt die Zweimastbark Fahrt auf, segelt durch die Bucht von Guanabara, vorbei am Zuckerhut, an den Stränden von Ipanema und Copacabana und der Skyline von Rio de Janeiro. Von der Spitze des Großmastes werfe ich einen letzten Blick auf die blaugraue Bergkulisse der brasilianischen Küste, auf den am Horizont versinkenden Kontinent. Bye bye, Brazil!

Schwer stampft der Windjammer durch die Wellen. Vor uns spannen sich 3.500 Seemeilen durch den stürmischen südlichen Atlantik. Uns erwarten lange naßkalte Nachtwachen an Deck und strenge Disziplin an Bord. Wir sitzen in einem Boot – wortwörtlich. Du hast auf hoher See keinen Ausweg! Ein mulmiges Gefühl, sich auf Gedeih und Verderb der Seetauglichkeit eines Schiffes und der Fähigkeit der Crew anzuvertrauen. “Im Unglücksfall”, so steht es schwarz auf weiß in meinem Vertrag als Hilfsmatrose, “verzichtet der Unterzeichnende auf jegliche Ansprüche. Im Todesfall zu benachrichtigen sind…”

 “It´s a long way across the ocean – es ist ein langer Weg über den Ozean!” – diese Worte des Kapitäns sollten mir noch oft in den Sinn kommen. Die nächsten vier Wochen war die Our Svanen also Heim, Welt und gegebenenfalls auch Leichenkiste für neun unsterbliche Menschenseelen. Der Großsegler, 1922 vom Stapel gelaufen, kreuzte bis 1960 als Getreideschoner vor der skandinavischen Küste und diente dann als Ausbildungsschiff der kanadischen Marinekadetten. Heute ist das Schiff in Privatbesitz. Die Our Svanen ist einer von rund hundert Windjammern, die im Jahrhundert der Raumfahrt und Computerindustrie noch auf den sieben Weltmeeren schippern. Denn: Die große Zeit der Segelschiffahrt ist seit zwei Generationen passé.

Für den Segeltrip von Südamerika nach Südafrika hatte sich an Bord unseres schwankenden Zuhauses eine buntgewürfelte Mannschaft zusammengefunden. Jay selbst, mit 22 Jahren einer der jüngsten Windjammerkapitäne der Welt, stammt aus Vancouver, dem Heimathafen der Our Svanen. Mit 15 Jahren kam er auf das Schiff – als Seekadett.

John – Dreitagebart, schwarzgelockte Haaren und buschige Augenbrauen über eisblauen Augen – hat Literatur in Oxford studiert, bevor er als Matrose auf einem Segelschiff anheuerte. Jim, unser Schiffskoch und damit nach dem Kapitän wichtigster Mann an Bord, war der geborene Lebenskünstler: Beim abendlichen Landgang treffen wir ihn im Smoking an der Bar des exklusiven Yachtklubs inmitten eines leidenschaftlichen Flirts mit einer brasilianischen Schönheit; kurz zuvor hatte er noch in bekleckerter Schürze der Crew  in der Kombüse die Spaghetti aufgetischt.

Bruce, ursprünglich Historiker, ist erster Maat auf der Our Svanen. In seinen blauen Augen spiegelt sich die Weite der See. Jahrelang segelte er Hochseeregatten auf Rennjachten. Heute bevorzugt er das “eher konservative Segeln” auf Windjammern. Clinton – Lieblingsspruch: “Hang loose, man!” – stammt aus dem sonnigen Jamaika. Das kalte Klima des südlichen Atlantiks schien er nicht besonders zu schätzen. Bis zur Unkenntlichkeit vermummt, blitzten nur seine weißen Zähne zwischen den vielen bunten Wollschals hindurch. Auch zwei Frauen hatten ihren Mann an Bord zu stehen: Glenns und Neridas Hände sahen nach wenigen Tagen auf See genauso zerschunden aus wie die der übrigen Mannschaft.

Während der ersten Tage auf See ist Neptun uns wohlgesonnen. Eine stete frische Brise treibt die Our Svanen südöstlich gen Afrika vor sich her. Wir nutzen das Schönwettersegeln zu Arbeiten an Deck: Segelnähen, alte Farbe abziehen, Masten streichen….Die Instandsetzungs- und Überholungsarbeiten nehmen auf einem Windjammer kein Ende. “Bloodsucking monster” schimpft Bruce deshalb auch gelegentlich das alte Schiff. 

Arbeitsalltag an Bord. Glenn und Nerida sitzen auf dem Achterdeck und nähen Lederverstärkungen in die verschlissenen Segellieken. Ich baumle in zehn Meter Höhe in einer Segeltuchwiege am Besanmast, einen Pinsel in der Hand, den Farbtopf vor die Brust gebunden. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfe ich darum, die tückischen Pendelbewegungen des Mastes auszugleichen. Doch vergebens. Unvermittelt schwingt das Masttop weit aus, es schaukelt mich wild hin und her, der Klarlack schleudert in weitem Bogen über Hemd und Hose. “Verdammt!” hör ich mich lauthals fluchen. “Goddam!” schallt es wie ein Echo von unten hoch. Glenn hatte in dem zähen Leder wieder eine Nähnadel verbogen.

Wachwechsel an Bord der Our Svanen. Mitternacht. Quitschend wird das Decksluk aufgerissen, grelles Licht durchflutet die Back. “Wake up, man!” brüllt jemand von oben hinunter. Tief gurgelnd rauscht hinter den schweren Holzplanken neben meiner Koje die See. Das schwere Stampfen der Zweimastbark hatte mich schon zu Beginn meiner Freiwache kaum einschlafen lassen. Fröstelnd fahre ich in die seit Tagen nassen Gummistiefel, den klammen Pullover und das unförmige Ölzeug.

Auf Deck ist es magisch hell. Böiger Südwestwind heult in der Takelage, das Rigg ächzt und knarrt. Die straff geblähten Focksegel ragen wie ein mächtiger Dom aus weissem Segeltuch in den sternenklaren Nachthimmel. Der Mond taucht den Segler in silbrigmattes Licht. Milliardenfach funkelt über uns der südliche Sternenhimmel.

Krachend bohrt sich der Bug wieder und wieder in die dunkelbedrohliche ölige See. Weißschäumend schlägt das Wasser zu beiden Seiten des Bugspriets hoch,  für Sekundenbruchteile liegt ein funkelnder phosphoreszierender Glitzerteppich auf den mächtigen schwarzen Wellenbergen. Mit sieben Knoten macht die alte Dame stolze Fahrt voraus.

Alle Mann sind an Deck. Im Kartenraum erfahre ich die Hiobsbotschaft. Auf einem Meilen querab segelnden Schiff ist ein Mann über Bord gegangen, vom Bergen des Außenklüvers sei er nicht mehr zurückgekommen. “Pan relay, man over board on Anna Kristina,” lautet der letzte Eintrag in der Funkklade, “Position 31´21 South, 15´50 West”. Wieder knistert und rauscht der Funklautsprecher: “No sign of man over board, two life rings in water.”

Jay und Bruce beschließen die Kursänderung. Noch besteht ein Funken Hoffnung, den Ertrinkenden aufzufischen. In unserem Kielwasser fahren wir unter Motor zur angegebenen Unglücksstelle. Mit Suchscheinwerfern stehen wir auf dem Deckshaus, starke Lichtfinger tasten die dunkelgrauen Wellenberge ab. Qualvoll langsam vergeht Stunde um Stunde. Im Morgengrauen wechseln wir uns mit dem Fernglas ab. 

Nach 36 Stunden bricht Jay die Suchaktion ab. Kein Mensch überlebt länger als wenige Stunden in 15 Grad Celsius kaltem Wasser. Zum Wachwechsel treffen wir uns auf dem Achterdeck zu einer Gedenkminute. Jay liest Psalm 90 aus dem vierten Buch: “Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und was daran köstlich erscheint, ist doch nur vergebliche Mühe, denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon. Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden…”

Zwei harte Tage liegen hinter uns. Während der schlichten Zeremonie nach Seemannsbrauch schaut kaum einer dem anderen in die Augen. Wir alle wissen, daß uns jederzeit das gleiche Schicksal ereilen kann. In Kapstadt sollten wir von der Crew der Anna Kristina erfahren, daß er zurück in seine Heimat gewollt hatte, um an Land seßhaft zu werden. Fünf Jahre auf See hätten ihm gereicht. Schiff ohne Hafen, Schiff ohne Ruhe: Er habe die Sorge gehabt, Treibholz auf dem Ozean zu werden. Das war er jetzt. Tot! 

Am Morgen des 35. Tages auf dem Ozean segelt die Our Svanen in die Bucht von Kapstadt. Der Anker rasselt in die Tiefe. Imposant erhebt sich der Tafelberg am nun nahgerückten Horizont. Glucksend plätschert das Hafenwasser an den Kielplanken. Das Ticken der Borduhr im Kartenraum ist überdeutlich zu hören. Eigenartig, diese ungewohnte Stille auf Deck, nach einem Monat Atlantik. Die süßlich duftende Landluft. Das frisch leuchtende Grün der Pflanzen. 

An Land setzt sich in meinem Körper die Schaukelbewegung des Schiffes auf hoher See fort.Und ich ahne, daß mich die Faszination von Abenteuer und Freiheit unter Segeln nie wieder loslassen wird. “Hey,” ruft Jay freudestrahlend vom Ruder, “we made it, welcome in Africa!” 

Autor: Michael Allhoff

“Southern Swan”, früher “Our Svannen”: 100 Jahre auf den Ozeanen.

Info:

Mehr lesen:https://www.sydneytallships.com.au/…/syd…/southern-swan/Originally named Our Svanen, the Southern Swan is a magnificent three-masted barquentine built in Denmark in 1922. Made of Danish oak she is a unique vessel, whilst not classified as an icebreaker, her hull is extraordinarily strong enabling her to handle light ice that may have built up in the cold waters of the North Atlantic, Denmark and Greenland, where she originally traded as a grain carrier.The Southern Swan has a unique nautical history. Originally configured as a gaff schooner, she sailed Baltic trade routes as a cargo vessel for the Tuborg brewery for many years until 1969. In 1969 she was purchased as a private vessel and extensively refitted to handle larger and longer ocean voyages. She served as a sail training vessel with the Canadian Sea Cadets and journeyed to Vancouver to appear at the World Expo in 1986. She then sailed to England to join the First Fleet Re-enactment.The Southern Swan made the voyage from England to Australia in 1988 to take part in the famous Australian Bicentennial First Fleet Re-enactment. Her berth has been at the historic Campbell’s Cove, The Rocks ever since.In 2007 the Bounty, an Australian-based traditional three-masted trading vessel known for one of the most dramatic episodes in English maritime history (the infamous ‘mutiny on the Bounty’ in April 1789), was sold to China.When the Southern Swan went on the market that same year, owner of Authentic Charters Marty Woods knew his only hope of keeping the Swan in Aussie hands would be to purchase, restore and operate the ship himself.Currently, the Southern Swan sails Sydney’s famous harbour, providing day trips, exclusive charters and occasional offshore trips up and down the New South Wales Coast. She is currently the only ship in Sydney to offer the thrilling Mast Climb, an ascent up the rope ladder rungs to the Futtock Plate, where climbers can take in the breathtaking view of Sydney Harbour from a truly unique vantage point.Experience the beauty and romance of a bygone era aboard this magnificent vessel.

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